Konferenz der Labour Party: Störaktionen werden als terroristische Vergehen betrachtet

German translation of British Labour Party - Heckling is now a terrorist offence by Phil Mitchinson (September 29, 2005)

Jeder, der die umfangreichen Auswirkungen der Blairschen Terrorismusgesetze in Zweifel gezogen hat, sollte nur einmal einen Blick auf die Konferenz der Labour Party in Brighton werfen. Der 82jährige Walter Wolfgang, der 1937 aus Nazi Deutschland geflohen war, wurde auf brutale Weise von einigen Rausschmeißern aus dem Saal geworfen, weil er es wagte "Unsinn" zu rufen, als Außenminister Jack Straw die weitere kriminelle Besetzung des Irak verteidigte.

Bilder von diesem brutalen Vorfall, die auf den Titelseiten der Morgenzeitungen und in den Nachrichtenprogrammen der Fernsehsender zu sehen waren, lösten im ganzen Land Abscheu und Zorn aus. Der linke Labouraktivist Steve Forrest wurde ebenfalls aus dem Saal verwiesen, weil er das Verbrechen beging, Walter Wolfgang vor den Schlägern zu schützen, die ihn am Kragen festhielten.

Hinter der Fassade von Popmusik, glitzernden Bühnendekorationen und Lichtershow kommt das wahre Gesicht des Blairismus zum Vorschein. Sogar die Musik hat sich gegen sie gewendet und ihnen einen Schlag ins Gesicht versetzt. Blair hatte sich das Lied "The Kids are United" von Sham 69 als Melodie für den diesjährigen "Einzug" ausgesucht. Die Band hatte später einen Überraschungsauftritt in der BBC-Sendung "Newsnight", um eine spezielle Version des Liedes zu spielen, dass sie Walter Wolfgang gewidmet hatten und den Refrain "bringt sie nach Hause, lasst sie nicht dort..."enthielt, womit eindeutig die Truppen im Irak gemeint waren. Zweifelsohne werden die Musiker von Sham 69 demnächst Besuch von der Obrigkeit bekommen.

Für die Macher der Blairschen Politik sind Parteikonferenzen ein Ärgernis, die gerade noch eben geduldet werden und von Anfang bis Ende inszeniert werden müssen. Abweichende Meinungen dürfen nicht zugelassen werden. Die kleine Clique um Blair, die glaubt, die Labour Party vollends im Griff zu haben, ist in Wirklichkeit vollkommen isoliert. Sie erhält weder von den Parteimitgliedern noch von den Gewerkschaften Unterstützung. Während Blair und Brown mit den Forderungen nach der Abschaffung der Pensionen im öffentlichen Dienst und der Privatisierung der staatlichen Krankenversicherung NHS Schlagzeilen machen, bekämpfen die Delegierten diese und stimmten gegen jede dieser reaktionären Forderungen, ganz zu Schweigen von dem überwältigendem Votum, das Recht auf Solidaritätsstreiks wiedereinzuführen. "Das ist alles nicht von Bedeutung", versichern die arroganten Parteiführer und ihr Gefolge ihren Freunden in der Londoner City und den Aufsichtsräten, "wir beabsichtigen nicht, auf Konferenzentscheidungen zu hören!"

Resolutionen? Abstimmungen? Blair und Co nehmen diese nicht zur Kenntnis; sie fegen die demokratischen Trivialitäten zur Seite. Sollte jemand meinen, stören zu müssen, dann wird er am Kragen gepackt und aus dem Saal geworfen und sein Parteitagsmandat wird ihm entzogen.

Walter Wolfgang ist schon lange in der Labour Party, er wurde bereits Mitglied bevor Blair geboren wurde. Es ist schon ein Skandal, dass die Blairisten nicht einmal in der Lage sind, eine abweichende Meinung zu tolerieren. Noch skandalöser ist die Tatsache, dass man es Walter Wolfgang hinterher nicht gestattete der Konferenz beizuwohnen, begründet wurde dies mit dem Abschnitt 44 des Gesetzes zur Bekämpfung des Terrorismus! Falls wir jemals Zweifel hatten, was genau Innenminister Charles Clarke und Konsorten meinten, als sie von "agitatorischem Hass" sprachen, jetzt wissen wir es, er bezieht sich auf Rentner, die höflich einen Minister stören, um eine Meinung zu äußern, die von der Mehrheit der Bevölkerung geteilt wird.

Die Blairisten waren jedoch geschockt, als sie bemerkten, dass sie sich so nicht benehmen können und verstecken sich hinter den Antiterrorismus-Gesetzen. Nachdem einige Tage später  die 73jährige Sylvia Hardy ins Gefängnis gesteckt wurde, weil sie sich geweigert hatte ihre Gemeindesteuer zu bezahlen, sieht es eher nach einem Krieg gegen Rentner als gegen Terroristen aus. Die repressive Gesetzgebung der Blairisten ist in Wirklichkeit ein Krieg gegen die eigene Bevölkerung, sogar eine Bedrohung der eingeschränkten Demokratie, der wir uns erfreuen und eine Bedrohung der Arbeiterbewegung.

Als Blair gezwungen wurde sich für diese Schandtat zu entschuldigen, sagte er mehr als er eigentlich beabsichtigt hatte:

"Ich glaube es ist etwas weit hergeholt  [eine weitläufige Debatte über die Bürgerrechte hervorzurufen]", sagte er in der BBC-Sendung "Today". "Ich habe gerade einen Wahlkampf geführt, wo die Menschen die Möglichkeit hatten mich zu kritisieren." Die Folgerung ist deutlich: Ihr hattet die Chance mich bei der Wahl zu kritisieren - das haben Millionen Wähler getan und Labour erhielt nur noch 35% der Stimmen - aber jetzt haltet den Mund und macht das, was wir von euch verlangen. Welche Arroganz! Es ist nicht das erste Mal, dass wir an Blair bonapartistische Tendenzen entdecken. Er ist von der wirklichen Welt isoliert; er lebt in einem Schneckenhaus, umgeben von Jasagern und Schmeichlern.

Er verteidigte seine Antiterror-Gesetze auf jämmerliche Art und fuhr fort: "Wenn Leute in die U-Bahn oder einen Bus steigen und unschuldige Menschen töten, erwartet die Öffentlichkeit, dass ich handele. Wie muss sich die Familie von Jean Charles de Menezes bei diesen Worten gefühlt haben, als sie einen ergreifenden Besuch des Ortes machte, an dem er brutal ermordet wurde? Sie wird richtigerweise "Taten" gegen die Verantwortlichen fordern, Aktionen wie das Ende der so genannte Shoot-to-kill-Direktive und der repressiven Gesetze, die nicht dazu beigetragen haben, den Terrorismus zu verhindern, sondern bereits einen unschuldigen Menschen auf dem Gewissen haben.

Jetzt werden die Antiterror-Gesetze bereits benutzt, um einen Rentner einzuschüchtern. Es wird deutlich, dass der so genannte "Krieg gegen den Terrorismus" unsere demokratischen Rechte bedroht. Die gesamte Arbeiterbewegung muss den Kampf für die allgemeinen Bürgerrechte und die Demokratie in der Arbeiterbewegung ernst nehmen. In den Händen der arroganten Tyrannen, die wir in Brighton gesehen haben, ist beides nicht sicher.

Blairs Tage sind gezählt. Er möchte er gern so weiter machen wie sein großes Vorbild Thatcher. Sein Projekt, die Labour Party langfristig in eine neue liberale oder eine Partei nach dem Vorbild der amerikanischen Demokraten umzuwandeln, ist endgültig gescheitert. Nun erhält er innerhalb der Partei nur noch die Unterstützung der Schurken und Bürokraten. New Labour ist Schnee von gestern. Der Kampf um eine sozialistische Politik in der Arbeiterbewegung  muss zukünftig auch den Kampf innerhalb der Labour Party beinhalten. Die Schlachten auf der gewerkschaftlichen und politischen Ebene müssen jetzt vorbereitet werden. Die Angriffe auf die Pensionen und die staatliche Krankenversicherung dürfen nicht unbeantwortet bleiben. Mit dem Kampf gegen die Aushöhlung der bürgerlichen Freiheiten muss eine neue Phase innerhalb der britischen Gesellschaft und der Arbeiterbewegung initiiert werden. Blair und Konsorten glauben, sie hätten die Labour Party im Sack, dieser beginnt allerdings, an den Nähten zu platzen.

Übersetzung: Tony Kofoet