Irak: Eine "vietnamesische" Falle für die Streitkräfte der "Koalition"?

German translation of "Iraq: A "Vietnamese" trap for the "coalition" forces?"

Zwei Monate sind seit dem Sturz von Saddam Hussein vergangen. Als Präsident Bush am 01. Mai erklärte, dass die Kampfhandlungen im Irak beendet seien, gab es in den USA kaum Diskussionen darüber, was das wirklich bedeutete. Für die meisten Amerikaner schien der Krieg vorbei zu sein. Er ist es aber nicht! Siebenundvierzig US-Soldaten wurden seit Anfang Mai getötet und eine weitaus größere Anzahl wurde verletzt.

In der letzten Woche gab es allein 12 Tote und am 12. Juni zerschellte ein F-16CG Kampfflugzeug der US-Luftwaffe südwestlich von Bagdad, während am gleichen Tag ein Apache Hubschrauber der US-Luftwaffe von gegnerischen Kräften im Westen des Irak abgeschossen wurde. Sprecher der US-Armee weigern sich mitzuteilen, wie viele ihrer Truppen täglich angegriffen wurden, ohne dass Soldaten weder verletzt noch getötet wurden, aber einige Quellen deuten darauf hin, dass es in den letzten Wochen täglich ein Dutzend solcher Angriffe gegeben habe.

Das wurde den US-Streitkräften zuviel. Deshalb holten sie mir ihrer Großoperation "Peninsula strike" zu einem Schlag aus gegen "loyale Anhänger des Regimes und andere extreme Aktivitäten, die gegen die Koalition gerichtet sind und mit denen in stärkerem Maße versucht wird, unsere Fortschritte zu zerstören", wie General David McKiernan, der Befehlshaber der Bodentruppen im Irak, erklärte. Ihm zufolge wurden ungefähr 400 Leute verhaftet, aber das Rote Kreuz behauptet, dass über 1000 unter Arrest gehalten werden.

Diese Operation war nicht allein gegen die reaktionären Saddam-Anhänger gerichtet, sondern auch gegen Kommunisten und andere linke Aktivisten, die versuchen ihre Anhängerschaft in den wichtigsten irakischen Städten neu aufzubauen. Dies zeigt die wahren Ziele der US-Besatzungstruppen. Diese haben Saddam Hussein, die angebliche "Bedrohung" der amerikanischen Sicherheit, gestürzt, wollen aber nicht zulassen, dass sich das irakische Volk selbst regiert. Der Grund dafür ist ziemlich offensichtlich. Falls sie die normalen arbeitenden Menschen im Irak über ihr eigenes Schicksal entscheiden ließen, würden diese sofort die US-Armee auffordern, den Irak zu verlassen. Als Nächstes würden sie ihr Leben und ihr Geschick in die eigene Hande nehmen.

Nur zwei Beispiele sollten dies demonstrieren. Ein Beispiel ist das der Medizinischen Hochschule in Bagdad (Medical College of Mustanseriyya University), an der es durch Studentendemonstrationen und -protesten gelang, die gefälschte Wahl des Dekans zu kippen. Der Dekan war ein reaktionäres Mitglied der Baath-Partei und wurde am 19. Mai gezwungen, zurückzutreten. Er war schon lange vor der Ankunft der Amerikaner sehr unbeliebt gewesen. Einmal schloss er den Klub der Hochschule für einen Zeitraum von zwei Wochen, weil die Studenten abgelehnt hatten, Fotos von Saddam an der Wand aufhängen zu lassen. Er hatte auch gelogen als es um seine Zugehörigkeit zur Baath-Partei ging.  Ein anderes Beispiel kommt von der South Refineries Company in Basra. Die Ölarbeiter hier haben das Recht eingefordert, ihre Manager selbst zu wählen. Auch hier wollen sie die Mitglieder der Baath-Partei von den privilegierten Positionen, die sie unter Saddam Hussein hatten, entfernen. Aber die Kommandeure der britischen Armee sind anderer Meinung. Sie sind nur daran interessiert, dass die Ölpumpen wieder laufen.

Brutalität der US-Operationen

Vor diesem Hintergrund der wachsenden Bereitschaft der irakischen Arbeiter und der Jugend, auf ihre Rechte zu bestehen, haben Angriffe auf die US-Armee stattgefunden. Die amerikanischen hohen Tiere können spüren, dass ihnen die Kontrolle aus den Händen gleitet und ihre einzige Antwort darauf ist eine brutale Unterdrückung. Was bei dem letzten "Peninsula strike" wirklich erstaunt, ist die brutale und grausame Vorgehensweise, mit der die Besatzer in Dörfer und Städte eingedrungen sind.

In Balad wurden mindestens 27 Iraker getötet, während Anfang dieser Woche 82 Kämpfer bei einem Großangriff der US-Armee auf ein "Wüstentrainingslager" in der Nähe der Stadt Rawah an der syrischen Grenze getötet wurden. Viele Zeugen erklärten westlichen Journalisten, dass in Wirklichkeit die US-Streitkräfte absichtlich das Feuer aus Panzern und Hubschraubern auf die Häuser irakischer Zivilisten in Rawah eröffneten und Dutzende von Menschen töteten, als sie aus ihren Häusern rannten.

Die brutale Unterdrückung bewirkt das Gegenteil von dem, was sich die Amerikaner wünschen. Sie verstärkt die Entschlossenheit der „kleinen Leute“ im Irak, die US-Truppen los zu werden. "Wenn ich die Möglichkeit hätte, würde ich einen Amerikaner erschießen, weil sie jetzt meine Feinde sind", sagte Marwan Alrawi, ein Mitglied einer Familie, die in der ganzen Gegend Ackerland besitzt. "Vor dem Zwischenfall hätte nur einer von 10.000 Bürgern in Rawah gegen die Amerikaner gekämpft. Jetzt würden es mehr als die Hälfte..." "Diese Stadt war sicher, bevor die Amerikaner hierher kamen und eine Menge Blut vergossen", sagte Ibrahim. "Ist das die Demokratie, von der sie gesprochen haben?" (Jordan Times, 15. Juni 2003)

 In Mosul, das bis vor kurzem von hohen US-Offizieren als Modell für Sicherheit gepriesen wurde, kam es am Samstag zu Zusammenstößen. US-Soldaten gerieten in den Straßen im  Stadtzentrum wiederholt unter Granatenfeuer und Beschuss durch Heckenschützen. Die Angriffe waren das Werk früherer Soldaten, die sich rächten, nachdem die Koalition den Beschluss gefasst hatte, Saddams gesamten Streitkräfte mit einer einmaligen - bisher nicht beglichenen - Zahlung aufzulösen. Ungefähr 100.000 Iraker sind in der gleichen Situation. Während der drei Tage dauernden Operation stürmten 2000 Soldaten der Besatzungsarmee Falluja, die Wiege des Widerstandes "gegen die Koalition".

Das Verhalten der US-Streitkräfte ähnelt dem in Vietnam. Dörfer und Städte, in denen jeder als Feind  oder potenzielles Ziel für belagernde Truppen in einem fremden und feindlichen Land betrachtet wird, werden erstürmt. Es wird deutlich, dass die USA von keinem Teil der der Bevölkerung unterstützt werden. Sie sind so arrogant vorgegangen, dass es auch nicht anders sein könnte.

Die schlechte Moral der US-Truppen

 Die Lage, die sich jedoch im Irak entwickelt, betrifft nicht nur die Bevölkerung, sie hat auch ernsthafte negative Auswirkungen auf die Moral der US-Truppen. Kürzlich veröffentlichte die New York Times einen Artikel mit der Überschrift: "Besorgte und erschöpfte US-Soldaten sehen sich im Irak mit einer neuen Mission konfrontiert". Man versprach den normalen US-Soldaten, dass das irakische Volk sie mit offenen Armen als "Befreier" willkommen heißen würden. Tatsächlich betrog die US-Administration ihre eigenen Soldaten. Hierbei handelte es sich um einen Versuch, die Moral hoch zu halten und sie für den Kampf vorzubereiten. Nachdem sie nun zwei Monate dort gewesen sind, erscheint ihnen ein vollkommen neues Bild.

Die US-Soldaten im Irak leben in ständiger Angst. Sie wissen nicht, aus welcher Richtung der nächste Heckenschütze kommt, wo die nächste Granate einschlägt. Sie sind äußerst nervös. Dies erklärt teilweise ihre Politik, "zuerst zu schießen und dann Fragen zu stellen". Sie sind erschrocken. Der Artikel in der New York Times beschreibt, wie ein US-Soldat sich sogar vor irakischen Kindern erschreckt, wenn sie sich ihm nähern. Sie betrachten jeden als mögliche Bedrohung.

Weiter heißt es in dem Artikel: "So sollte es für die 5000 Soldaten und Offiziere der Brigade [1. Brigade der 3. Infanterie Division der US-Armee] nicht enden ... Sechs Monate, nachdem sie in Kuwait angekommen war und fast drei Monate nach der Invasion des Irak, war sie bereit in die USA zurückzukehren...". In dem Artikel wird der Obergefreite Matthew O'Dell, ein Fußsoldat, zitiert: "Ruft Donald Rumsfeld an und teilt ihm mit, dass unsere enttäuschten Ärsche bereit sind, nach Hause zurückzukehren. Sagt ihm, er soll mal hier her kommen und eine Nacht in unserem Gebäude verbringen." Dies muss die momentanen Gefühle von Tausenden US-Soldaten ausdrücken.

In dem Artikel heißt es weiter: "Einige erzählten, sie würden von den Toten, die sie auf dem Gewissen haben, heimgesucht, litten darunter und hätten Beratung gesucht. Alle schienen müde, giftig und zunehmend verbittert zu sein. Die Moral scheint so stark gesunken zu sein, wie die Temperaturen gestiegen sind." Wenn die Situation sich fortsetzt, werden es die obersten Militärs es immer schwerer haben, die Aufgabe so auszuführen, wie Bush es befohlen hat. Das Ganze könnte nach hinten losgehen. Und was noch wichtiger ist, die Moral der Truppen wird zu Hause durchsickern und die Wahrheit über die wirklichen Geschehnisse im Irak wird den Millionen normaler Amerikaner, die von Bush und Konsorten irregeführt wurden, bewusst werden.

Eine unerträgliche Situation für die irakischen Massen

 Diese Wahrheit ist den Menschen im Irak schon reichlich klar geworden. Die USA und Großbritannien versprachen Demokratie und Freiheit. Nun sprechen sie davon, dass es noch Jahre dauere, bis der Irak eine demokratische Regierung bekäme. "Ich glaube, wir sollten von einem Zeitraum von wenigstens einigen Jahren sprechen", erklärte Richard Haass, der Direktor für Politikplanung im Außenministerium der Presseagentur AFP. Es wird zu einer stufenweisen Umwandlung oder einer Entwicklung zu einem offeneren Irak kommen."  Der neue Gouverneur Paul Bremer sieht eine "Interimsregierung", die von amerikanischen und britischen Kräften geführt wird, für die Dauer von zwei Jahren voraus. Vorläufig haben sie die Einberufung der Nationalversammlung auf unbestimmte Zeit verschoben. Sie haben sogar den irakischen Nationalkongress  abgesetzt. Diese Maßnahme hat dazu geführt, dass Chalabi (der Führer des Nationalkongress), der Mann, den sie ursprünglich vor zwei Monaten ins Land gebracht hatten, um es zu regieren, die Amerikaner offen kritisiert hat. Er warnte die USA, dass sie einen Fehler begehen würden, wenn sie sich weigerten, den Irakern (er meinte sich selbst) mehr Kontrolle über das besetzte Land zu geben. Aber sogar diese milde Kritik, diese „weisen Worte“ sind für Washington nicht annehmbar.

Sie versprachen „dem irakischen Volk Öl“. Stattdessen planen sie, sowohl die Ölgesellschaft wie auch andere Staatsfirmen zu privatisieren und sie an die „Meistbietenden“, d.h. an US-Konzerne zu verkaufen.

Sie versprachen „bessere Lebensbedingungen“. In den meisten Städten und Dörfern haben die Iraker weder Wasser noch Strom. Zumindest in einigen Bereichen wird Lohn gezahlt, aber niemand arbeitet tatsächlich, weil die USA nicht wollen, dass Staatsbetriebe jemals wieder eröffnet werden. „Niemand gibt uns seit Wochen irgend etwas zu tun“, sagte Mahmoud Hameed, der als Geologe bei der nationalen Bewässerungsgesellschaft beschäftigt ist und nur gekommen ist, um seinen Lohn abzuholen. Wir warten alle nur darauf, wann mit der richtigen Arbeit begonnen wird.“ (Dar al Hayat, 16. Juni 2003)

Es gibt bei dem Durcheinander im Nachkriegsirak keine Arbeitsstatistiken, aber sowohl irakische als auch ausländische Experten schätzen, dass wenigstens ein Drittel der Arbeitskräfte arbeitslos oder unterbeschäftigt sind. Sogar Profi-Fußballer haben protestiert, weil eine US-Bataillon direkt im Nationalstadion stationiert wurde. Sie können jetzt keine Punktspiele mehr starten!

In Großbritannien ist darauf hingewiesen worden, dass die Unruhen durch die unbeholfene Haltung der US-Offiziere provoziert wurde. Dies erklärt aber nicht die große Demonstration, die am letzten Sonntag in Basra stattfand, wo 12.000 demonstrierten und das Recht forderten, sich im eigenen Land selbst zu regieren.

Ein langer Guerillakrieg

Im Irak eröffnet sich jetzt ein völlig neues Szenarium. Heute stellte "The Times" fest, dass britische Truppen  bis zu vier Jahre im Irak stationiert bleiben könnten, falls Pro-Saddam-Milizen weiterhin die Bemühungen der Koalition, die Sicherheit im Land herzustellen, untergraben würden."

Dem haben wir nichts hinzuzufügen, sondern erinnern unsere Leser an das, was wir vor sechs Wochen schrieben:

Die US-Amerikaner und Briten haben keine wirkliche Massenunterstützung im Irak. Jegliche Unterstützung, die sie zu Beginn gehabt haben mögen, ist wie Milch im Wüstensand verdampft. Eine militärische Überlegenheit ist hier nur wenig hilfreich. Ein langfristiger Guerillakrieg mit einfachen Methoden wie das Schießen aus dem Hinterhalt, Guerillaüberfälle und Selbstmordbomben können über einen längeren Zeitraum einen zerstörerischen Effekt haben, wenn sie vom Volk unterstützt werden, und genau das wird geschehen.

 Der US-amerikanische Imperialismus ist die mächtigste Nation in der gesamten Geschichte, aber seine Macht ist nicht absolut. Er wurde in Vietnam von einer barfüßigen Armee besiegt. Um genauer zu sein, er wurde im eigenen Land von einer Massenbewegung gegen den Krieg besiegt.

 Bis jetzt hat die Mehrheit der Amerikaner den Krieg unterstützt, aber das nur, weil er kurz und für Amerika relativ schmerzlos war. Aber wenn es sich herausstellt, dass die amerikanischen Soldaten für lange Zeit im Irak festsitzen und zur Zielscheibe von Attacken durch eine feindselige Bevölkerung werden, wird sich die Haltung des amerikanischen Volkes ändern. Im Libanon reichte eine einzige Autobombe aus, um die US-Armee zum Rückzug zu zwingen. Ähnliche Ereignisse im Irak sind unvermeidbar. Das Endergebnis wird früher oder später das gleiche sein. (Die Welt nach dem Irakkrieg, 06. Mai 2003).

 Anfang Mai setzte Bush den früheren General Garner ab, der kritisiert worden war, weil er zu langsam bei Wiederherstellung der Versorgungsnetze vorangekommen ist und die weit verbreiteten Plünderungen zugelassen hat. Als sein Nachfolger wurde Paul "Jerry" Bremer zum obersten zivilen Verwaltungsbeamten in Bagdad ernannt. Er steht in direktem Kontakt zu Verteidigungsminister Donald Rumsfeld.

Die Ernennung Bremers wurde als Ende eines langen Streits zwischen dem Außenministerium und dem Pentagon über die Verwaltung des Irak angesehen. Außenminister Colin Powell wollte eine größere zivile Kontrolle, während Verteidigungsminister Donald Rumsfeld die militärische Seite betonte. Letzterer geht als klarer Punktsieger aus dem Streit hervor.

Bremer vertritt eine harte Linie und steht führenden Neokonservativen im Pentagon nahe. In einem Artikel in der "Washington Times" vom 13. Januar 2003 vertrat er die Ansicht, der Krieg gegen den Terror könne nicht "durch ein defensives Vorgehen gewonnen werden, wir müssen in die Offensive gehen. Um es einfach auszudrücken, wir müssen die Terroristen töten, bevor sie uns umbringen."

Genau das setzt er heute im Irak um. Die US-Administration und die ranghöchsten Offiziere sind aufgrund des im Irakkrieg erreichten Ergebnisses übertrieben selbstbewusst. Sie fühlen sich äußerst mächtig. Und unter militärischen Gesichtspunkten sind sie das auch. Aber sie spielen mit dem Feuer. In den letzten drei Jahrzehnten schien die herrschende Klasse der USA ihre Lektion aus dem Vietnamkrieg gelernt zu haben. Sie war behutsam und hat es vermieden, fremde Länder zu besetzen. Die Veränderung des internationalen Kräfteverhältnisses nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion spielt bei der Bestimmung der neuen Haltung der USA genauso eine Rolle wie die extreme Kurzsichtigkeit von Bush und Konsorten. Aber der entscheidende Grund besteht darin, dass die US-Bourgeoisie eine aggressive Politik benötigt, um ihre vorherrschende wirtschaftliche und politische Rolle in der Welt zu erhalten.

Letzten Endes sind die Männer, die an der Spitze des US-Establishments stehen, diejenigen welche die großen multinationalen Konzerne brauchen. Es ist einfach so, dass die US-Bourgeoisie keine andere Wahl hat.

Die Lage im Irak wird so unsicher, dass sogar der letzte Fürsprecher der US-Politik im Irak, Adnan Pachachi, erklärt, "der Irak habe noch drei Wochen, um zu verhindern dass das Land in ein Chaos stürzt." Er wird von der Zeitung "The Independent" als "hoch geachteter früherer Außenminister" beschrieben, "von dem erwartet wird, dass er eine große Rolle bei der Umgestaltung der öffentlichen Verwaltung im Irak spielt." Mit anderen Worten, er ist nur eine weitere US-Marionette, aber äußerst beunruhigt, dass in naher Zukunft eine soziale Explosion stattfinden könnte.

Es gibt für die Besatzungsarmee keine Möglichkeit, den Guerillakrieg im Irak aufzuhalten. Ihre aggressive Politik provoziert immer mehr Wut und Groll in der gesamten Bevölkerung.

Am letzten Sonntag lief das Ultimatum für die Iraker ab, ihre schweren Waffen straffrei abzugeben. Die Koalition erließ dieses Gesetz in der Hoffnung, Recht und Gesetz wiederherzustellen.

Die USA stellten gestern fest, dass die Iraker 123 Pistolen, 76 halbautomatische Gewehre, 435 automatische Gewehre, 46 Maschinengewehre, 11 Fliegerabwehrkanonen und 381 Granaten und Bomben abgegeben hätten. Wahrscheinlich sind sie ihre kaputten und alten Waffen losgeworden, denn die Zahl der im Irak vorhandenen Waffen ist beträchtlich größer als diese armselige Menge.

Der Aufbau einer Massenbewegung ist nötig

 Wir unterstützen das Recht des irakischen Volkes, sich gegen ihre Invasoren selbst zu verteidigen. Es handelt sich um einen nationalen Befreiungskampf gegen eine imperialistische Besatzungsarmee. Gleichzeitig warnen wir die Guerillabewegung, sich nicht selbst von den Massen zu isolieren. Eine reine Guerillabewegung läuft Gefahr, auf die Vorgehensweise des individuellen Terrors zu verfallen. Der bewaffnete Widerstand kann nur erfolgreich sein, wenn er eine Ergänzung der Massenbewegung ist. Wenn der Kampf nur auf dem Niveau sporadischer bewaffneter Konflikte bleibt, dann hat das US-Militär eine enorme Feuerkraft und kann sich, wie bisher schon geschehen, rächen und Hunderte und vielleicht Tausende Iraker töten.

Es besteht die Aufgabe, eine Massenbewegung aufzubauen, die die Arbeiter, die Studenten und die Armen in den Städten und auf dem Land einschließt und eine solche Stärke erreicht, dass sie von keiner Militärmacht gestoppt werden kann. Diese Massenbewegung ist bereits im Entstehen. Massendemonstrationen finden in jeder irakischen Stadt statt. Von Kirkuk bis Basra wird berichtet, dass Tausende Menschen auf die Straßen gehen und ihre Grundrechte einfordern. Dies sind mutige Trotzhandlungen, wenn man bedenkt, dass die Besatzer nicht zögern, auf unbewaffnete Menschen zu schießen.

Die Aufgabe der wahren Revolutionäre besteht darin, sich mit den Massen zu verbünden, die Forderung nach Arbeiterkomitees aufzustellen, die die wichtigsten Dienstleistungsbetriebe und Fabriken kontrollieren und leiten. Wenn die Amerikaner die Kraftwerke nicht wieder in Betrieb nehmen wollen, dann lasst es uns selber tun! Wenn es kein Wasser oder keine Grundnahrungsmittel gibt, lasst uns die Fabriken in Betrieb setzen, so dass unsere Kinder nicht verhungern oder an Cholera sterben! Lasst uns unsere Krankenhäuser und unseren öffentlichen Dienst verteidigen!

Weil keine ernsthaft organisierte Arbeiterbewegung mit einer sozialistischen Führung vorhanden ist, gewinnen die schiitischen Fundamentalisten im Irak zweifelsfrei an Boden. Aber sie sind noch weit davon entfernt, den Widerstand auf nationaler Ebene oder auch nur in den großen Städten zu kontrollieren.

Die Rolle der kommunistischen Bewegung

 Erwähnenswert ist ein Artikel,  zu erwähnen, der am 14. Juni im "Economist" unter dem Titel "Kommunisten gegen die Geistlichen im Irak" veröffentlicht wurde. Diese bürgerliche Wochenzeitschrift macht sich gewöhnlich über Kommunisten lustig, aber dieses Mal musste sie zugeben, dass "die wenigen Kommunisten zu den Mutigen gehören, die den Ayatollahs gegenübertreten".

Der Artikel gibt ein Bild, das sich von der gewöhnlichen Propaganda, mit der wir über den "islamischen Fundamentalismus" versorgt werden, unterscheidet. Der Autor des Artikels stellt die Frage: "Kann die laute Stimme der Kommunisten Gehör finden?" Was auf diese Frage folgt, ist interessant. "Junge Leute haben die Nase voll davon, dass ihnen befohlen wird, welche Filmen sie sehen oder nicht sehen dürfen. Frauen fordern gleiches Erbrecht und die Abschaffung von Gesetzen, welche die Ehrenverbrechen sanktionieren und ihnen verbieten, ohne männlichen Aufpasser den Irak zu verlassen. In den Cafés in Bagdad, in denen Künstler und Autoren verkehren, ist die Rede von einem Gegenschlag." In dem Artikel wird ein Künstler zitiert, der sagt: "Wir wollen nicht ein totalitäres Regime durch ein anderes ersetzen." Auch wenn "The Economist" nur ein Stimmungsbild wiedergibt, bedeutet das, dass unter den Massen eine zwangsläufige Aufregung besteht, ein Wunsch nach echter Demokratie und Selbstbestimmung, wie die beiden oben erwähnten Beispiele von den Studenten und Arbeitern beweisen.

Natürlich versucht "The Economist" die Rolle der Kommunisten zu schmälern und beschreibt sie als winzige Gruppe mit sehr geringem Einfluss. Aber welche Absicht steckt dahinter, zwei Spalten zu verschwenden, wenn die Kommunisten überhaupt keinen Einfluss haben? In Wahrheit haben die Kommunisten im Irak eine lange Tradition, worauf wir in einem anderen Artikel hingewiesen haben. In den letzten Wochen können wir feststellen, dass diese Tradition nicht verloren gegangen ist. Sie taucht wieder auf. Der kommunistischen Bewegung im Irak wird eine neue historische Chance gegeben.

Wir müssen bedenken, dass sobald eine Massenbewegung der Arbeiter entsteht, es unwahrscheinlich ist, dass die religiösen Fundamentalisten die Führung übernehmen können (zumindest nicht in der Anfangsphase). Im Iran spielten die Anhänger Khomenis beim Sturz des Schahregimes oder in der Revolution vom Februar 1979 keine Rolle. Das war eine Arbeiterrevolution, in der im ersten Stadium Komitees, die Schuras (oder Arbeiterräte), errichtet wurden. Die Arbeiter versuchten, ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen. Erst später wurde Khomeni mit fundamentaler Unterstützung der Iranischen Kommunistischen Partei, der Tudeh-Partei, (die Khomeni als "progressiv" und "anti-imperialistisch" beschrieb) und aller anderen wichtigen linken Organisationen in die Lage versetzt, die Macht auf dem Rücken einer betrogenen und besiegten Arbeiterklasse zu ergreifen. Der Aufstieg des Fundamentalismus ist immer ein Ergebnis der Niederlage der Arbeiterklasse oder der falschen Politik ihrer Führung.

Wir unterstützen jede Bemühung der irakischen Arbeiter beim Aufbau ihrer Organisationen. Damit dieser Aufbau erfolgreich ist, ist es absolut notwendig, Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen. Es gibt keinen fortschrittlichen Flügel in der irakischen oder westlichen Bourgeoisie, es gibt auch keine künstlichen „Zwischenetappen“ im Sinne von Bündnisse mit dieser Bourgeoisie. Der Kampf für die nationale Befreiung kann nur als Bestandteil des Kampfes für die sozialistische Umgestaltung der Gesellschaft erfolgreich sein, das gilt sowohl für den Irak als auch für den gesamten Nahen Osten.

 Übersetzung: Tony Kofoet.