Deutschland | Freiburger Bundeskongress des SDS

Der Sozialistisch-Demokratische Studierendenverband der Partei DIE LINKE (dielinke.SDS) hielt seinen 16. Bundeskongress vom 12. bis 14. Juni 2015 in Freiburg ab. Vor dem Hintergrund der jüngsten Regierungsangebote des reformistischen Flügels der Partei DIE LINKE und des Bielefelder Parteitags verteidigten die etwa 35 anwesenden Delegierten die klassenkämpferische Linie des Studierendenverbands. Die Internationale Marxistische Tendenz (IMT) war vor Ort.

Klassenkämpferische Grundausrichtung des Hochschulverbands

Innerhalb des Sozialistisch-Demokratischen Studierendenverbands schwebt eine allgemeine Empörung über die andauernden Versuche der sozialdemokratischen Fraktionsführung um Gregor Gysi und Dietmar Bartsch, politische Grundsätze der Partei DIE LINKE zugunsten von möglichen Regierungsbeteiligungen mit der SPD im Jahr 2017 zu schleifen. Der eine Woche zuvor abgehaltene Bielefelder Parteitag der LINKEN habe gezeigt, dass die organisierten sozialdemokratischen Kräfte um das Forum Demokratischer Sozialismus (fds) auf inhaltlicher Grundlage keineswegs die Partei auf Regierungskurs einstimmen könnten. Nach Einschätzung des SDS spiegelt sich dieser Trend allerdings nicht in den aktuellen Personalentscheidungen wieder, sondern vielmehr in einer defensiven Haltung des sozialdemokratischen Flügels in den politischen Grundsatzdebatten der LINKEN. Demnach werden die "wahren Absichten" des sozialdemokratischen Flügels nicht offen ausgesprochen, sondern in verbalen Worthülsen und Scheindebatten verschleiert.

Gleichzeitig erachtet es der SDS als historische Notwendigkeit, im Kontext der globalen Krise des Kapitalismus insbesondere die europäischen Linksparteien nicht dem Einfluss des Reformismus zu überlassen. Dazu bedürfe es eines aktiven Eingriffs junger, kritischer und kämpferischer Sozialist*innen in die innerparteilichen Geschehnisse selbst. Folglich stellte sich auf dem Freiburger Bundeskongress in jeder politischen Diskussion stets die Frage: "Wollen wir Veränderung fordern, oder wollen wir Veränderung sein?"

Damit einhergehend entstanden kontroverse Auseinandersetzungen zur Frage von sozialistischen Strategien und Taktiken in der Arbeiter*innenbewegung bzw. über die gesellschaftliche Bedeutung von sozialistischen Studierenden gegenüber der arbeitenden Bevölkerung. Derzeit erlebt die Bundesrepublik Deutschland eine im Vergleich zu den letzten 20 Jahren enorme Streikbewegung im Eisenbahnverkehr, in den Sozial- & Erziehungsdiensten sowie bei der Deutschen Post AG, im Einzelhandel und bei Amazon, was als Ausdruck eines verstetigten Gärungsprozesses in der arbeitenden Klasse in Zeiten der kapitalistischen Krise begriffen werden muss.

Der SDS solidarisiert sich ausdrücklich mit diesen Streikbewegungen, zerreißt sich jedoch an akademisierten Fragestellungen zum Verhältnis von Studierenden und Arbeitern. Dabei werben Teile des Verbandes für eine definitive Fokussierung des Verbands auf das Arbeitsfeld der Universitäts- und Hochschulpolitik bei relativer Abstinenz von den Kämpfen in der betrieblichen Arbeitswelt. Diese Auffassung resultiert wahrscheinlich aus der Verwirrung darüber, welche Rolle akademisierte Teile der Gesellschaft in Klassenkämpfen spielen sollten.

Diese Position halten wir nicht nur für grundlegend falsch, sondern sogar für gefährlich. Es ist natürlich absolut notwendig, sich der Verantwortung als Hochschulverband mit sozialistischem Grundverständnis gegenüber der Masse der prekär lebenden Studierendenschaft bewusst zu sein und daher sozialistische Theorie und Praxis für Studierende spezifisch zu gestalten und sich um die alltäglichen Probleme an der Hochschule zu kümmern. Wenn dies allerdings in einer künstlichen Einteilung in Studierende und Nicht-Studierende mündet, also in einer selektiven Kategorisierung von Ausgebeuteten, dann wird die Spaltung der Arbeiterklasse (zu der auch die Mehrheit der Studierenden gehört) aus rein ideologischen oder organisationspolitischen Erwägungen heraus sogar vorangetrieben. Als sozialistischer Studierendenverband darf sich der SDS keineswegs nur auf das Aktionsfeld der Universitäten und Hochschulen beschränken, sondern muss die Verbindung zwischen realen Arbeitskämpfen in Betrieben mit der prekären Lebenssituation vieler Studierenden aufzeigen und die Kräfte bündeln, statt sich in akademischen Kategorisierungen zu verzetteln.

Der SDS bewahrte letztlich eine vorbildliche Einheit in den wesentlichen Grundsatzfragen: Nein zur Anpassung sozialistischer Parteien an die Sozialdemokratie, Ablehnung sämtlicher Auslandseinsätze der deutschen Bundeswehr und imperialistischer NATO-Kriege, Klassenkampf statt Sozialpartnerschaft. Gleichzeitig wird irrational viel Zeit in verkopfte Detailfragen investiert, was den Bundesverband in der Durchführung von praktischen Aktionen zu eigentlich unstrittigen Anliegen lähmt. Eine marxistische Analyse ist freilich unabdingbar, um einen klaren Weg aus der Krise zu formulieren. Doch die Welt wird nicht durch schlaue Reden verändert, sondern nur durch bewusste Aktionen der Mehrheit der Arbeiterklasse, die es politisch mit marxistischen Ideen zu unterstützen gilt. Nur so können massenhafte Kämpfe in die richtigen Bahnen geleitet werden, damit sie nicht im Sande verlaufen oder der Reaktion anheimfallen. Hier sehen wir durchaus Potential im Hochschulverband der Partei DIE LINKE.

Die Personaldebatte im SDS

Neben der Bestätigung der antiimperialistischen und marxistischen Grundausrichtung wurden auch ein neuer fünfköpfiger Bundesvorstand sowie eine neue politische Geschäftsführerin gewählt, denen wir hier unsere solidarischen Glückwünsche zu ihrer Wahl bekunden. In der Personaldebatte wurden kontroverse Auseinandersetzungen zwischen Teilen der Basis und Teilen des nun politisch entlasteten Bundesvorstands deutlich. So wurde heftige Kritik an der bisherigen Bundesführung geübt, welche einen angeblichen Zickzack-Kurs von einem zum nächsten Thema praktizierte und zu wenig politische Kontinuität in langfristigen Kampagnen gezeigt habe. Andererseits nehmen die Klassenkämpfe in der Bundesrepublik Deutschland in unvorhergesehenem Tempo und Qualität zu, was nunmal kurzfristige "spontane" Agitation notwendig macht. In Zeiten enormer gesellschaftlicher Umwandlung müssen Sozialist*innen entsprechend schnell und unbürokratisch reagieren können.

Die schärfsten Kritiker*innen des bisherigen Bundesvorstands, der in großen Teilen in reiner Verbandsverwaltung versinkt und stark überarbeitet ist, hielten sich von den vorgeschlagenen Kampagnen des bisherigen Bundesvorstands fern und verzichteten in Freiburg auf eigene Kandidaturen. Offensichtlich mangelt es dem SDS an demokratischer Kontrolle zwischen Basis und Führung und Austausch zwischen diesen Ebenen. So liegt es in der Verantwortung aller Genoss*innen, dass die politischen Ideen (die in einer sozialistischen Organisation oft von ihrer Führung vorgeschlagen werden) von der Basis diskutiert, kritisiert und wenn nötig abgelehnt werden. Gleichum müssen alternative Lösungsansätze formuliert werden. Jahrelange oberflächliche Kritik an der eigenen Organisationsführung ohne die eigene Bereitschaft, durch Kandidaturen selbst Verantwortung zu übernehmen, kann einer sozialistischen Organisation dauerhaft nur Schaden zufügen. Leo Trotzki sagte einmal: "Eine Organisation, die nicht im Stande ist, ihre Führer zu kontrollieren, ist nicht würdig, sich revolutionär zu nennen."

Auf keinen Fall dürfen Dissens und Kritik in den eigenen Reihen unterdrückt werden. Gleichfalls bedarf es der Einsicht in die organische Verbundenheit von Basis und Führung, so dass ein unsolidarischer Umgang mit der eigenen Organisationführung ebenso in das exakte Gegenteil umschlagen kann. Das ist Dialektik.

Wie weiter?

Als Mitglieder der Internationalen Marxistischen Tendenz (IMT) müssen wir uns die Frage nach der gesellschaftspolitischen Bedeutung des SDS in der Bundesrepublik Deutschland stellen. Gewiss ist der SDS mit etwa 500 bundesweit aktiven Mitgliedern meilenweit von einer sozialistischen Massenorganisation entfernt. Faktisch ist er somit auch auf eine Zusammenarbeit in politischen Bündnissen und Interessenvertretungen angewiesen, um nicht von der Bildfläche zu verschwinden oder durch größere, reformistische Studierendenverbände wie die SPD-nahen Juso-Hochschulgruppen marginalisiert zu werden. Gleichzeitig liegt seine Stärke in der sehr intensiven marxistischen Diskussionsfähigkeit und seinen sehr gefestigten sozialistischen Grundprinzipien. In Bezug auf den SDS vertreten wir daher im Allgemeinen die gleiche Strategie wie auf den Jugendverband der Partei DIE LINKE.

Durch kontinuierliche und geduldige Verbreitung unserer marxistischen Ansätze wollen wir den Aufbau neuer Basisgruppen des SDS voranbringen und eine Alternative zu reformistischen Hochschulgruppen aufbauen. Wenn se sich bewegen, organisieren sich die Massen der ausgebeuteten Klasse nunmal zuerst in traditionellen Massenorganisationen, sofern diese noch nicht auf dem Müllhaufen der Geschichte entsorgt wurden, und nicht in sektiererischen Kleinstparteien. Es gilt also, die Begrenztheit des Reformismus aufzuzeigen, seine Anhängerschaft geduldig zu überzeugen, ein revolutionär-sozialistisches Bewusstsein zu verankern und den Aufbau einer internationalen marxistischen Strömung zu unterstützen - in Betrieb und Universität!