Wahlsieg für Chávez: Die Massen verteidigen die Errungenschaften der Revolution

Venezuelas Präsident Hugo Chávez ist mit rund 55 Prozent Stimmenanteil als klarer Sieger aus der Präsidentschaftswahl in Venezuela hervorgegangen. Sein Gegenkandidat Henrique Capriles, der Favorit der Oberschicht, der Rechten und des Imperialismus, errang rund 45 Prozent. Mit diesem Sieg für die Bolivarische Revolution sind die Chancen für einen entschlossenen Übergang in Richtung Sozialismus gestiegen. Sie dürfen aber nicht verspielt werden.

Die Wahlbeteiligung lag mit rund 81 Prozent noch deutlich über dem Niveau bei der vorigen Präsidentschaftswahl im Jahre 2006 (74%). Allein dies belegt, dass angesichts der extremen gesellschaftlichen Polarisierung im Lande beide Lager ihre Anhängerschaft stark mobilisierten. Viele Menschen, die sich der Errungenschaften der bolivarischen Revolution bewusst sind, standen sehr früh auf und stellten sich geduldig in die langen Schlangen vor den Wahllokalen, die um sechs Uhr öffneten. Manche gingen sogar schon am Vorabend hin und verbrachten die Nacht vor dem Wahllokal. So wurde jeglicher Versuch der rechten Opposition, der Regierung Wahlbetrug vorzuwerfen, vereitelt. In Wohnvierteln mit einem hohen Anteil von Arbeitern und armen Menschen wurden die Menschen um drei Uhr früh mit einem „Weckruf“ an die Wahl erinnert. Die für 18 Uhr vorgesehene Schließung der Wahllokale verzögerte sich vielerorts, weil das Wahlgesetz vorsieht, dass alle Menschen, die ihr Wahlrecht ausüben wollen, nicht davon abgehalten werden dürfen. Einzelne Wahllokale schlossen erst um 20.30 Uhr, weil erst dann alle gewählt hatten. So wird dies etwa von dem Wahllokal Antímano in der Hauptstadt Caracas berichtet, wo Chávez auf 75% kam. Hier warteten um 18 Uhr immer noch 800 Menschen in der Schlange. In den Arbeitervierteln errang Chávez die höchsten Ergebnisse. Dort lag die allgemeine Wahlbeteiligung auch um 3 bis 5 Prozent über dem Wert in den gehobenen Wohngebieten, wo Capriles eine Mehrheit errang.

Noch vor der Schließung der Wahllokale unternahm die Opposition den Versuch, mit so genannten Befragungen vor den Wahllokalen den Eindruck zu erwecken, dass Capriles gewonnen habe. Die konservative spanische Tageszeitung ABC stützte sich darauf und verkündete bereits einen Sieg von Capriles. Dies war nur eine Fortsetzung der Propagandaflut der letzten Monate. Auch liberale westliche Medien stellten sich faktisch auf die Seite von Capriles, in bundesdeutschen Medien war und ist die unterschwellige und tendenziöse Kritik an Chávez nicht zu übersehen bzw. überhören. Immer wieder wurde der Wahlsieg klein gerechnet und kritisiert, Chávez habe sich mit Geldern aus der Erdölförderung nur die Stimmen ärmerer Venezolaner „gekauft“. Dass die massiven Fortschritte etwa in den Bereichen Gesundheitswesen, Bildung, Wohnungsbau und Arbeitsrecht die Lebensverhältnisse von Millionen Menschen deutlich verbessert und die Lebenserwartung erhöht haben, kommt in solchen Berichten nicht vor. Diese Fortschritte, die sich an der Regierungszeit des Präsidenten Chávez festmachen, sind genau das Gegenteil dessen, was derzeit in Europa praktiziert wird.

In der Endphase des Wahlkampfs enthüllte Chávez, dass Capriles entgegen ursprünglicher Beteuerungen nach einem Wahlsieg ein umfangreiches Kürzungs- und Kahlschlagspaket umsetzen wollte. Chávez warnte davor, dass ein solches Programm in Venezuela einen Bürgerkrieg auslösen würde und erinnerte an das Jahr 1989. Damals wurde eine massive Protestbewegung gegen das vom IWF vorgesetzte Spardiktat der Regierung Carlos Andres Perez von Militär und Polizei niedergeschlagen. „1989 begann die Weltrevolution in den Straßen von Caracas. Sie hat jetzt die Straßen von Griechenland, Spanien, Portugal und dem Rest der Welt erreicht“, so Chávez.

Die Massen verstanden, was in Venezuela auf dem Spiel stand. Berichte über aktuelle Massenproteste in Griechenland, Spanien und Portugal wirkten mobilisierend. Die Massen spürten, dass der als „jugendlicher Mitte-Links-Kandidat“ auftretende Oppositionskandidat Capriles ähnliche Angriffe starten würde wie Spaniens Regierungschef Rajoy. Die Mehrheit durchschaute seine „soziale“ Rhetorik.

Chávez gewann offenbar in 21 von 23 Bundesstaaten. In absoluten Zahlen errang er über eine halbe Million Stimmen mehr als 2006 und 1,5 Millionen Stimmen mehr als seine sozialistische Partei PSUV bei den Parlamentswahlen 2010. Allerdings konnte auch die Opposition seit 2006 zwei Millionen Stimmen hinzugewinnen.

Im Vorfeld gab es Hinweise darauf, dass die Opposition am Wahlabend einen angeblichen „Wahlbetrug“ beklagen und Unruhe auf den Straßen schüren wollte. Die Massenanhängerschaft der bolivarischen Bewegung wurde daher vorsorglich mobilisiert, um auf der Straße gegen Provokationen einzuschreiten. Schließlich war der Vorsprung von Chávez aber so eindeutig, dass die Opposition seinen Sieg anerkennen musste. Capriles, der schon aktiv am Putschversuch 2002 beteiligt war, ist damit aber nicht über Nacht ein Demokrat geworden. Er wusste aber, dass er in dieser Situation Öl ins Feuer gegossen und die Revolution weiter vorangetrieben hätte.

Die intelligentesten Kreise der herrschenden Klasse verstanden, dass sie diese Wahl gegen Chávez nicht gewinnen konnten. Jetzt stützen sie sich auf die sechs Millionen Stimmen für Capriles und spekulieren darauf, dass Chávez, der sich im letzten Jahr einer schweren Krebsoperation unterziehen musste, vielleicht doch nicht die gesamte Amtszeit gesundheitlich durchhält.

Die Masse der Chávez-Wähler und Unterstützer der bolivarischen Bewegung spüren, dass sie am Sonntag erneut eine Offensive der reaktionären Oberschicht abgewehrt haben. Dieser Sieg erfüllt sie mit Begeisterung, Chávez wird aber auch unter den Druck der bolivarischen Bürokratie kommen, die ihn ermahnen wird, er solle sich doch endlich wie ein „Präsident aller Venezolaner“ verhalten. Damit würde sich sein Wahlsieg faktisch in eine Niederlage verkehren.

Chávez hat aber auch in seiner jüngsten Ansprache erklärt, dass sich „Venezuela weiter hin zum Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ entwickeln werde. Die an der Basis der PSUV und der bolivarischen Bewegung vorhandene unterschwellige Unzufriedenheit in der Arbeiterklasse mit der reformistischen Bürokratie wird nach der Wahl wieder verstärkt zum Ausdruck kommen.

Mit dem Wahlsieg von Chávez sind die Gefahren für die Revolution fürs Erste gebannt, aber eine Revolution kann nicht ewig auf halbem Wege stehenbleiben. Chávez hat zwar die Verfügungsgewalt des Privateigentums in gewisser Weise eingeschränkt, aber der Staatsapparat und die Mehrheit der Wirtschaft sind nach wie vor bürgerlich-kapitalistisch und stehen unter der Kontrolle und Herrschaft der 100 Familien der Oligarchie, die eng mit dem ausländischen Imperialismus verknüpft sind.

Um die Errungenschaften der Revolution zu sichern, kommt es jetzt darauf an, die Schlüsselbereiche der Wirtschaft zu enteignen und unter Arbeiterkontrolle zu stellen. Nur so können die riesigen Reserven und Ressourcen mit Hilfe eines demokratisch aufgestellten Plans der Mehrheit der Bevölkerung dienen. Das entspräche einer Abschaffung des Kapitalismus. Es würde bei der herrschenden Klasse in Caracas, Washington und Europa Zorn auslösen, könnte aber auf die Sympathie von Millionen Arbeitern und Bauern in Lateinamerika und Europa zählen, die unter den Folgen der kapitalistischen Krise leiden.

In einem haben die bürgerlichen Medien Recht: In Venezuela geht es um den Kampf zwischen zwei entgegengesetzten Gesellschaftssystemen – Kapitalismus und Sozialismus.

  • Die Revolution muss weiter gehen!
  • Sozialismus oder Barbarei!
  • Es lebe die Venezolanische Revolution! Es lebe die Sozialistische Revolution!

Übersetzung: Der Funke (Österreich)