Karl Marx-Seminar in Vorarlberg: „Wir sind die stärksten der Parteien“

Am 18./19. Februar fand zum 4. Mal das Karl Marx-Seminar der SJ Vorarlberg im Jugendgästehaus in Bregenz statt. Ein Bericht von Emanuel Pegger.

Ziel dieser jährlich stattfindenden Veranstaltung ist es, uns die Geschichte und Lehren der vergangenen Kämpfe der Arbeiterbewegung anzueignen und uns damit auseinanderzusetzen, um sich damit für die kommenden revolutionären Aufgaben zu rüsten. Gleichzeitig soll dieses Seminar dazu dienen, einen politischen Austausch zwischen den marxistischen Kräften in Österreich, der Schweiz und Deutschland zu ermöglichen, was uns mit einer vermehrten Beteiligung aus dem näheren Ausland auch zunehmend gelingt. Rund 80 Genossinnen und Genossen fanden sich am Samstag in den frühen Morgenstunden ein, um gemeinsam dieses Ziel Wirklichkeit werden zu lassen.

Wir begannen mit der Begrüßung durch den Vorsitzenden der SJ Vorarlberg Benedikt Brunner, der die anwesenden Gäste herzlich willkommen hieß und den weiteren Verlauf mit den dazugehörigen Workshops vorstellte. Das politische Programm begann mit einer Plenardiskussion zur Krise des Kapitalismus aus marxistischer Sicht und den Aufgaben der Arbeiterbewegung. Genosse Emanuel Tomaselli von der Funke-Redaktion hielt das einleitende Referat. Dabei geißelte er in einer feurigen Brandrede die Auswirkungen der gegenwärtigen, tiefen Krise des Kapitalismus auf die arbeitenden Massen Europas und der Welt. Dabei kritisierte er vernichtend die zynische Politik von EU, IWF und allen nationalen Regierungen, die die Kosten der Krise vollständig auf die arbeitenden Menschen abwälzen wollen. Dabei stellte er fest, dass es leider in ganz Europa keinen einzigen sozialdemokratischen Abgeordneten gäbe, der sich der Logik des „Krieges der herrschenden Klasse gegen unseren Lebensstandard verweigere“. Gefangen in ihrer Vorstellung von der Alternativlosigkeit des Kapitalismus, betätigen sich diese Leute nur als Rammbock und Erfüllungsgehilfen der bürgerlichen Krisenpolitik, egal ob in der Regierung oder in der Opposition.

Emanuel beschrieb den Inhalt des jüngsten Sparpakets in Griechenland, das darauf abziele mit Mindestlöhnen von 450 € in Europa chinesisches Lohnniveau durchzusetzen, beleuchtete den Kampfesmut und die Energie der griechischen Arbeiterklasse und betonte die Wichtigkeit nicht nur einer wissenschaftlichen Analyse der Krise sondern korrekter Slogans. Die unmittelbarste Forderung der Arbeiterbewegung müsse ein unmittelbares Streichen der Staatsschulden sein. Dies sei die Antwort auf die brennendsten materiellen Fragen des Daseins. Alle weiteren Schritte zur Überwindung des Kapitalismus folgen aus der Zerschlagung dieses Jochs. Er rief zu Mut und Klarheit in den kommenden schweren Auseinandersetzungen auf und appellierte an das junge Publikum: „Ihr seid die Zukunft, ihr seid jung und die Revolutionäre sind und waren immer die Jungen. Lasst euch nicht von den sogenannten ‚Experten’ und Politikern verwirren, sie repräsentieren das Gescheiterte, das Vermoderte und Verrottete, ihr aber die positive Zukunft der Menschheit.“ 

Bei der darauf folgenden Diskussion entspannte sich ein hitziger Disput mit dem Landesparteivorsitzenden der SPÖ Vorarlberg, Michael Ritsch, der versuchte das jüngst von der Regierung ausverhandelte Sparpaket zu verteidigen, indem er „auf Schritte in die richtige Richtung verwies“ (Vermögensbezogene Steuern und Streichung der Agrardieselsubvention). Er berichtete weiters, dass die ÖVP auf die Wiedereinführung der Erbschaftssteuern als Gegenleistung zur Wiedereinführung von Studiengebühren bereit gewesen sei, und nur eine knappe Mehrheit im Parteipräsidium sich gegen diesen Kuhhandel ausgesprochen habe. Ritsch gab zu erkennen, dass der nächste Wahlkampf den Charakter eines Lagerkampfes Rot-Grün gegen Schwarz-Blau haben werde, wobei die SPÖ insbesondere für die Gesamtschule, Vermögenssteuern und die Einführung eines Berufsheeres werben werde. 

Michaels Argumente zur Verteidigung des Sparpaketes wurden von den versammelten GenossInnen angesichts der Faktenlage des Pakets nicht akzeptiert. „Man muss den Mut haben und Nein sagen, im Parteivorstand, in der Gewerkschaft und im Parlament, alles andere ist unakzeptabel“, so ein Genosse in seinem Diskussionsbeitrag. 

Nach dem Mittagessen wurde ein Brief von Genossen Sebastian aus der Steiermark vorgelesen, in der sich dieser für die breite Solidarität vor seinem Gerichtsprozess bedankte. Seine Worte brachten genau zum Ausdruck mit welcher Geisteshaltung wir uns gegen die Kapitaloffensive im Zuge der Krise zur Wehr setzen müssen: „Lasst euch nicht unterkriegen, egal durch was auch immer, denn nur der, der in dieser Zeit viel einstecken kann, kann es auch versuchen, ja vielleicht sogar schaffen, etwas zu ändern, dem Kapitalismus in seiner schier unendlich hintertückischen Weise in seinem unmenschlichen Tun und Walten den Kampf anzusagen. Ich habe es unbewusst mit diesem Text versucht und man sehe das Ergebnis. Ich musste auch viel einstecken, bleibe aber bei meiner Überzeugung, weil ich am selben Leibe miterlebe, wie für uns Arbeiter alles schlechter wird, und ich will egal, was ich einstecken muss, für eine bessere Situation für mich meine Kollegen, ja für alle Arbeiter, kämpfen. Alleine schon die bloße Diskussion der letzten Tage über eine Anhebung des Pensionsalters löst Aufregung aus. Was kommt noch? Sollen wir in diesem Stahlwerk sterben? Keiner weiß, was uns die Zukunft noch so für Überraschungen bringt, wenn wir nicht etwas tun. Deswegen wünsche ich euch von meiner Seite aus ein schönes, diskussions- und ideenreiches Wochenende!“

Anschließend berichtete Genosse Carlos aus Mexiko über die schwierigen Umstände revolutionärer Arbeit in El Salvador. Er rief die SeminarteilnehmerInnen dazu auf für die Kampagne zur Unterstützung der GenossInnen vom marxistischen Bloque Popular Juvenil (BPJ) zu spenden, mit dem Ziel eine Druckmaschine anzuschaffen.

Dann starteten die Workshops, die eine große Bandbreite von geschichtlichen wie theoretischen Themen abdeckten: Von der Geschichte der Arbeiterbewegung in Österreich bzw. der Schweiz über marxistische Krisentheorie und zu Strategien der Frauenbefreiung usw. - für jeden (geistigen) Geschmack war etwas vertreten. 

Einen fröhlichen wie ebenso ausgelassenen Ausklang fand dieser Tag bei einem Politquiz mit anschließender Party im Lokal „vis a vis“, wo nach einer Reihe kniffligster wie humorvoller Fragen ausgelassen bis tief in die Nacht gefeiert und auch für unsere GenossInnen in El Salvador ein nicht unerheblicher Betrag von über 350 € und 150 CHF gespendet wurde.

Einigen waren zwar noch am nächsten Morgen die Anstrengungen der Nacht direkt in die Gesichter gemeißelt. Doch nach einen gutem Frühstück und einigen Tassen Kaffee lockerten sich die steinernen Mienen, und der frisch gewonnene Schwung konnte direkt in die danach folgenden Workshops investiert werden. An diesem Tag drehten sich viele der Workshops um aktuelle Ereignisse. Mit Themen wie der arabischen Revolution, der Perspektiven der Europäischen Union oder dem Verhältnis zwischen Marxismus und Internet, war für genug spannende Fakten wie auch interessante Diskussionen gesorgt. Abgeschlossen wurde das Seminar mit der Verabschiedung und dem wichtigsten Lied der Arbeiterbewegung: der Internationalen. So endete ein äußerst lehrreiches, unterhaltsames und stärkendes Wochenende. 

Wir freuen uns schon, wenn wir nächstes Jahr wieder viele GenossInnen aus dem Ländle, dem restlichen Österreich und unseren Nachbarländern begrüßen können, um rund um den Bodensee ein dichtes Netz von marxistischen Revolutionärinnen und Revolutionären spannen zu können!

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Quelle: SJ Vorarlberg