Die katalanische Revolution und die Aufgaben der Linken

Der spanische Staat möchte gern als Sieger aus der noch nicht beendeten Schlacht gegen die katalanische Unabhängigkeitsbewegung hervorgehen. Doch die bedeutsamste Entwicklung innerhalb dieser zwei Monate war das Entstehen der größten Bewegung des zivilen Ungehorsams in Spanien seit 40 Jahren.

Dieser Bewegung, der sich Millionen einfacher Menschen angeschlossen haben, hat revolutionäre Züge gezeigt und das spanische Regime von 1978 und dessen Staatsapparat, der ein Erbe der Franco-Diktatur ist, in Schach gehalten. Die Lehren, die aus diesem schwelenden Konflikt gezogen werden können sind wertvoll und können helfen, das revolutionäre Bewusstsein einer neuen Generation in Katalonien und ganz Spanien zu formen.

Die Verhaftung von sieben Mitgliedern der Regierung der katalonischen Generalität und der Haftbefehl gegen den Rest (der sich gegenwärtig in Belgien aufhält) zeigen die Wut und den Zorn des spanischen Staates gegen diejenigen, die es wagten das demokratische Recht der Selbstbestimmung geltend zu machen. Die direkten politischen Vertreter des Staates in der Volkspartei (PP) und der Ciudadanos (Cs) heben diese repressiven Maßnahmen begrüßt – ebenso die sogenannte sozialistische Führung der PSOE, die wieder einmal bewiesen hat, dass sie ein Teil des Establishments ist.

Die Lage ist jedoch so explosiv, dass es zu plötzlichen Veränderungen kommen kann, wie wir sie bei der neuen Mobilisierungswelle nach der Verhaftung von sieben Mitgliedern der katalanischen Regierung beobachten konnten. Am 08.11.2017 fanden in ganz Katalonien Streiks und Demonstrationen statt. Vor einigen Tagen haben die Komitees zur Verteidigung der Republik (CDR) Straßen blockiert und Proteste organisiert. Das Schicksal von Carles Puigdemont, der gegenwärtig in Belgien Zuflucht gefunden hat, ist ebenfalls ungewiss. Genau genommen hat sich das gleiche Muster im gesamten Prozess ständig wiederholt: Mit den Halbheiten der Führung des „Procés“ konfrontiert, wie die Bewegung für die Selbstbestimmung bezeichnet wird, hat die explosive Intervention der Massen als Reaktion auf die Repression des Staates (am 20. September, 01. Oktober und 03. Oktober) den Prozess vorangetrieben.

Die Unfähigkeit der Führung von Unidos Podemos

Die Haltung der Führung von Unidos Podemos während dieses Prozesses war skandalös. Obwohl sie das Recht auf Selbstbestimmung befürworten, unterstützten sie dieses nicht, als es im Referendum am 01.Oktober in der Praxis ausgeübt wurde.

Als der spanische Staat seine Bereitschaft zeigte, jeden Versuch zur Inanspruchnahme des demokratischen Rechts auf Selbstbestimmung sofort zu zerschlagen, stellten die GenossInnen der Vereinigten Linken (IU), von Podemos und von Catalunya en Comú (mit wenigen Ausnahmen) die Repression des Staates auf die gleiche Stufe mit dem katalanischen Referendum (“weder Artikel 155, noch eine einseitige Unabhängigkeitserklärung“). Bevor es zur Repression des Staates kam, rückten sie mit abstrakten Allgemeinheiten über ihre Ablehnung „jeglicher Form des Nationalismus“ heraus. Aus diesem Grund stellten sie den reaktionären spanischen Nationalismus, der seine Wurzel in der Franco-Diktatur hat und die demokratischen Rechte Kataloniens vernichten will, auf die gleiche Stufe mit dem demokratischen katalanischen Nationalismus, der diese Rechte ausüben will und eine republikanische Regierungsform anstrebt. Sie sind zu Verteidigern der abstrakten „Einheit Spaniens“ geworden, anstatt sich fest für die Verteidigung der demokratischen Rechte und gegen das Regime von 1978 zu positionieren.

Aus irgendeinem Grund wollte Albert Gazón (Generalsekretär der Vereinigten Linken) diese Position ins Groteske führen und den Mitgliedern der katalanischen Regierung und den beiden Jordis, die kürzlich inhaftiert wurden, den Status als politische Gefangene nicht zubilligen. Er tat dies mit unpassenden Vergleichen und stellte sie den Gefangenen unter Franco gegenüber, die er als die einzig „wahren“ politischen Gefangenen betrachtet. Es ist kein Wunder, dass die rechten Medien diesen unverantwortlichen Aussagen, die ausschließlich das spanische Regime reinwaschen und dessen Repressionspolitik nützen, die größte Aufmerksamkeit widmen.

Der Genosse Garzón ist stolz auf seine eigene Alternative: „Eine föderale und multinationale Republik auf der Grundlage eines aufeinander abgestimmten Volksentscheids.“ Er betont, dass er diesen Vorschlag in ganz Spanien verteidigen wolle.

Sehr gut, Genosse Garzón. Du kannst deine Vorschläge überall verbreiten und sogar mit einer überwältigenden Mehrheit die Wahlen gewinnen. Aber was wirst du tun, wenn der Staatsapparat und die Bourgeoisie selbst die Muskeln spielen lassen, um deine Ambitionen zu zerschmettern? Was wirst du tun, wenn das Verfassungsgericht oder der Oberste Gerichtshof deine Initiativen für illegal erklären? Und wenn die IBEX35-Konzerne (Aktienindex der 35 wichtigsten spanischen Unternehmen) eine Kampagne des ökonomischen Terrorismus beginnen und damit drohen ihre Firmensitze ins Ausland zu verlegen? Oder wenn der König im Fernsehen auftritt, alles als Schwachsinn denunziert und die Polizei und die Streitkräfte aufruft, ihm als Staatsoberhaupt zu gehorchen? Am Ende wirst du dich unterwerfen oder du wirst dem mutigen Vorbild der Menschen in Katalonien folgen, die ihrem eigenen Instinkt und Willen folgen, indem sie ungerechte Gesetze und Gerichte, die niemand gewählt hat und die nur den Willen der Mächtigen repräsentieren, missachten.

In Wirklichkeit hat der katalanische Konflikt offenbart, dass es dringend notwendig ist, einen marxistischen und revolutionären Flügel in der Bewegung zu organisieren, der eine Alternative zu den Fehlern und der politischen Desorientierung, welche die FührerInnen der Linken in diesen unruhigen Zeiten gezeigt haben, bietet.

Die Grenzen der Führung der katalanischen Regierung

Natürlich war der Staat in der Lage den Artikel 155 und die daraus folgenden reaktionären Maßnahmen anzuwenden, obwohl es dagegen massive Ablehnung in Katalonien gab. Nach der Ausrufung der Republik am 27. Oktober bestanden die Voraussetzungen für eine massenhafte Widerstandsbewegung, welche der Verhängung des Artikels 155 offen die Stirn geboten hätte. Die MitarbeiterInnen von TV3, Catalunya Radio und den anderen Medien der Regierung hatten angekündigt, dass sie sich jedem eingesetzten Intendanten widersetzen würden. Die größte Bildungsgewerkschaft USTEC-STEs gab das gleiche Bekenntnis ab. Die größte Gewerkschaft für den öffentlichen Dienst in Katalonien, CATC, lehnte ebenfalls die Maßnahmen nach Artikel 155 ab.

In der Stunde der Wahrheit, als die BefürwortInnen der Unabhängigkeit in der Bevölkerung nach Rajoys Ankündigung auf ein Signal oder einen Aufruf zum Handeln warteten, kam nichts von ihren Führern. Stattdessen akzeptierten diese Führer (abgesehen von einigen kläglichen Gesten) verhängnisvoller Weise die Entscheidung des Staates und zeigten schnell ihre Bereitschaft an den Wahlen in Katalonien, die Rajoy auf den 21. Dezember festgelegt hat, teilzunehmen. Die katalonische Regierung unternahm keine Schritte, die Deklaration für eine katalanische Republik wirksam werden zu lassen.

Die gesamten Aktivitäten der Führer der katalanischen Regierung seit dem 03. Oktober basierten auf einer Strategie, die sich als bankrott erwies. Anstatt sich auf die Bewegung der Massen auf den Straßen zu stützen, versuchte die Regierung eine internationale Vermittlung zu erreichen, um die spanische Regierung an den Verhandlungstisch zu zwingen.

Die formale Ausrufung der katalanischen Republik, die ursprünglich für den 03. – 04. Oktober geplant war, wurde auf den 10. Oktober verschoben und gleich wieder aufgeschoben (um Zeit für Verhandlungen zu gewinnen), und erst am 27. Oktober nach zahllosen Fehlversuchen und mit einem gescheiterten Versuch am Vorabend verwirklicht, wobei die Bewegung offen verraten wurde, als Puigdemont vorgezogene Wahlen statt die Ausrufung der Republik andeutete.

Die Fakten haben gezeigt, dass das weitestgehendste, was die Führer der bürgerlichen Parteien PDeCAT (Partit Demòcrata Europeu Català) und ERC (Esquerra Republicana de Catalunya) anstrebten, eine symbolische Proklamation der Republik und der Unabhängigkeit Kataloniens war, wobei sie die Intervention der Zentralregierung gegen die Selbstbestimmung als unvermeidbar und unaufhaltbar nach Artikel 155 akzeptierten.

Die Stellungnahme von Santi Vila (dem katalonischen Minister, der nach der Unabhängigkeitserklärung zurücktrat) ist sehr aufschlussreich. In einem Interview mit dem Radiosender RAC1 erklärte er, dass er aus seinem Ministerium nichts unternommen habe, um die Strukturen für einen unabhängigen Staat vorzubereiten, weil er daran nicht glaube. Das war kein Einzelfall. Tatsächlich entschied sich die katalonische Regierung, eine formale Stellungnahme abzugeben, denn aus ihrer Sicht konnte sie nicht weiter gehen. Die Menschen an der Basis der Bewegung fragen sich zu Recht, wo die „Staatsstrukturen“ sind, welche die Regierung angeblich seit langer Zeit erstellt hatte.

Die Wahrheit ist, dass alle Schritte, welche die Regierung eingeleitet hat (die Forderung nach einem Referendum, die Aufhebung der Ausrufung der Republik etc.) darauf gerichtet waren, internationale Unterstützung zu erhalten, um den Staat zu Verhandlungen zu zwingen. Wie wir erwartet und davor gewarnt haben, verbündete sich die EU jedoch komplett mit dem spanischen Staat.

In seiner Stellungnahme am letzten Dienstag in Brüssel, erklärte Puigdemont, dass die Alternative zu einer symbolischen Ausrufung der Republik ein Widerstand gewesen wäre, der eine „Welle brutaler Repression gegen die Angehörigen des öffentlichen Dienstes“ zur Folge gehabt hätte. Diese Sätze beweisen den absoluten Vertrauensmangel in die Fähigkeit einer Massenbewegung, sich der Repression zu stellen und gegen sie zu kämpfen (was zweifelsfrei geschehen wäre).

In der Tat weisen Nachrichtenmeldungen darauf hin, dass die katalanische Regierung angesichts der brutalen Repression durch den Staat vorhatte, das Referendum am Nachmittag des 01. Oktober auszusetzen. Die Menschen, welche die Wahlurnen und Wahllokale verteidigten, leisteten bis zum Schluss Widerstand und sicherten unter schwierigen Bedingungen eine hervorragende Beteiligung von mehr als zwei Millionen Menschen.

Die Verantwortlichen für diese widersprüchliche und zögerliche Politik sind in erster Linie die PDeCAT (und darin besonders die Fraktionen, die direkt mit der katalanischen Bourgeoisie verbunden sind, wie Sant Via) aber auch die ERC, die sich der PDeCAT vollkommen anschloss, ohne diese zu kritisieren oder zu keiner Zeit eine andere Politik propagierte.

Das alles kommt für uns MarxistInnen nicht überraschend. Wir haben kontinuierlich in unseren Artikeln auf die Unfähigkeit der nationalistischen kleinen und mittleren Bourgeoisie hingewiesen, einen effektiven Kampf für die nationale Befreiung zu führen. Und das aus zwei Gründen: Erstens wegen ihrer Unfähigkeit eine bedeutende Mehrheit der katalanischen ArbeiterInnenklasse zu gewinnen und zweitens aufgrund ihres Mangels an Entschlossenheit, um einen beharrlichen Massenkampf für die Unabhängigkeit zu führen.

Der Mangel an Entschlossenheit liegt wiederum in zwei weiteren Faktoren begründet: ihre Angst vor einer frontalen Konfrontation mit dem spanischen Staat und ihre Angst selbst von den Massen eingenommen zu werden, die ihre eigenen sozialen Forderungen aufstellen und so mit der mittleren und Großbourgeoisie Kataloniens in Konflikt geraten könnten. Deshalb auch die ständigen Appelle für einen „friedlichen“ Protest und „nicht auf Provokationen hereinzufallen“, so dass die soziale Mobilisierung zu jeder Zeit in sicheren Bahnen und unter ihrer Kontrolle stattfinden konnte.

Die Komitees zur Verteidigung der Republik

Zusätzlich zur offiziellen Bewegung, die von der PDeCAT, der ERC und der katalanischen Nationalversammlung angeführt wird, hat sich eine Bewegung von unten entwickelt: die Referendumsverteidigungs-Komitees, die ihren Namen mittlerweile in Komitees zur Verteidigung der Republik (CDR) umgewandelt haben. Es gibt gegenwärtig 170 CDRs in ganz Katalonien, in denen tausende AktivistInnen mitwirken und in denen die CUP (Candidatura d'Unitat Popular) eine bedeutende Rolle spielt. Diese Komitees entziehen sich der Kontrolle durch die Führung der PDeCat und der ERC.

Die CDRs sind vom ersten Augenblick an marginalisiert und von den offiziellen Führern mit Argwohn betrachtet worden. Sie wurden sogar boykottiert und es wurde dazu aufgerufen, nicht an einigen ihrer Aktionen teilzunehmen. Aber die CDRs haben eine eigene Dynamik entwickelt, obgleich es falsch wäre, sie zum jetzigen Zeitpunkt als Massenbewegung zu bezeichnen. Sie bringen die fortschrittlichsten AktivistInnen und Vorreiter der Bewegung zusammen. Bei einer Aufwärtsdynamik könnten sie mächtige Steuerungskomitees des Kampfes in ganz Katalonien werden und Keimzellen für die ArbeiterInnenmacht in den Städten.

Der Kampf für die Selbstbestimmung Kataloniens bestärkt auf brillante Weise die Position, die von Leo Trotzki in seiner Theorie der Permanenten Revolution verteidigt wurde, die besagt, dass in der Epoche des Imperialismus die anstehenden Aufgaben in den schwachen und rückständigen Ländern nur mit revolutionären Methoden und unter der Führung der ArbeiterInnenklasse durchgeführt werden können. Die spanische Bourgeoisie und ihr Staatsapparat sind zu reaktionär, um dem katalanischen Volk dieses Recht zu gewähren. Die katalanische Bourgeoisie hat sich in diesem Konflikt selbst an ihre Klassenbrüder und -schwestern in Madrid angepasst. Und das katalanische Kleinbürgertum ist an seine Grenzen gestoßen, um den Kampf zu Ende zu führen. Es liegt jetzt in den Händen der ArbeiterInnenklasse sich an die Spitze der Bewegung zu setzten.

Wie kann es gelingen die ArbeiterInnenklasse entscheidend zu gewinnen?

Der wichtigste Faktor ist die ArbeiterInnenklasse – sowohl die katalanische als auch die spanische. Ohne eine deutliche Unterstützung der katalanischen ArbeiterInnenklasse ist es nicht möglich, eine unabhängige Republik in Katalonien zu errichten. Und um die Unterstützung, Sympathie oder aktive Neutralität der restlichen ArbeiterInnenklasse auf der iberischen Halbinsel für die Sache des katalanischen Volks zu gewinnen, ist es notwendig die spanische Reaktion und das Regime in der eigenen Region zu schwächen.

Das bedeutet, je weniger nationalistisch das Herangehen der Unabhängigkeitsbewegung in Richtung katalanischer und gesamtspanischer ArbeiterInnenklasse ist, desto wahrscheinlicher ist es, diese zu gewinnen. Im umgekehrten Falle, je nationalistischer es ist, desto schwieriger wird es, sich mit der ArbeiterInnenklasse zu verbünden und desto einfacher ist es für den reaktionären spanischen Nationalismus die Bewegung zu spalten.

Zweifellos ist die katalanische ArbeiterInnenklasse in der Unabhängigkeitsfrage gespalten. Ein Sektor, der besonders unter den Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes, den prekär Beschäftigten und der ArbeiterInnenjugend zu finden ist, steht für die katalanische Republik. Aber ein anderer Sektor, der vor allem zur traditionellen Schicht der ArbeiterInnenbewegung aus dem Industriegürtel um Barcelona, aus Vallès, Baix Lloberat und Tarragona (wo überwiegend ArbeiterInnen mit kastilischen Wurzel leben) beheimatet ist, schaut aus verschiedenen Gründen misstrauisch und verunsichert auf den „Procés“.

Das liegt erstens an der führenden Rolle der PDeCAT, der sie wegen ihres politischen Opportunismus und ihres bürgerlichen Charakters misstrauen; zweitens an den Folgen der ökonomischen Terrorismus-Kampagne, die von der herrschenden Klasse geführt wurde und die Unsicherheit, die diese in Bezug auf Arbeitsplätze, Renten, der ökonomischen Lebensfähigkeit eines unabhängigen Kataloniens etc. verursacht hat; und drittens ein Gefühl Teil des spanischen Staates zu sein.

Die Wahrheit ist, dass eine der Schwächen, die wir nach dem 01. Oktober im Unabhängigkeitslager wahrgenommen haben, das Fehlen von Reden und Appellen an die spanische ArbeiterInnenklasse, an ihre Organisationen und an die politische Linke war, um diese um Unterstützung und Solidarität zu bitten und sich dem gemeinsamen Kampf anzuschließen und dem Regime von 1978 ein Ende zu bereiten. Das hätte den zögernden Teilen der katalanischen ArbeiterInnenklasse geholfen, den „Procés“ mit anderen Augen zu betrachten.

Das hätte ihnen die Perspektive ermöglicht, dass ihre Bemühungen zur Errichtung einer Republik in Katalonien den Klassenbrüdern und –schwestern im Rest des Landes helfen und anregen können, den gleichen Weg zu gehen. Und es hätte sich die Möglichkeit eröffnet, dass beide Prozesse, der in Katalonien und der im Rest Spaniens, zu einem bestimmten Zeitpunkt verknüpft werden könnten.

Das würde die Chancen für einen Sieg gegen den gemeinsamen Feind und die Möglichkeiten zur Errichtung einer lebensfähigen, demokratischen und sozial fortschrittlichen Republik – entweder unabhängig auf beiden Seiten des Flusses Ebro oder als Konföderation – verstärken. Andererseits hätte ein Appell zur Solidarität der spanischen ArbeiterInnenklasse geholfen, den spanischen Chauvinismus und die verächtliche anti-katalanische Kampagne der bürgerlichen Medien außerhalb Kataloniens zu bekämpfen.

Es ist klar, dass die PDeCAT diese Taktik niemals nutzen wird. Es ist unmöglich die ArbeiterInnenklasse ohne ein sozial fortschrittliches Programm zu mobilisieren, denn das ist etwas, was die PDeCAT niemals verfechten wird. Nebenbei erwähnt misstraut diese Partei der Massenbewegung im Allgemeinen und der ArbeiterInnenklasse im Besonderen. Sie kennt keinen anderen Ausweg als eine (unerreichbare) Übereinkunft mit dem spanischen Staat anzustreben. Aus diesem Grunde ist es unwahrscheinlich, dass die PDeCAT jemals einen Aufruf zur Erhebung an die spanische Bevölkerung macht.

Die CUP und die revolutionäre Linke in Katalonien

Die CUP ist die Organisation innerhalb des Unabhängigkeitslagers, welche eine Politik betreibt, die der von uns vorgeschlagenen ähnlich ist. Eine der wichtigsten Strömungen, Endavant, nennt sich marxistisch und kämpft für eine katalanische sozialistische Republik. Von Anfang an haben die GenossInnen von der CUP eine differenzierte Politik gegenüber der Bewegung vertreten. Sie haben deutlich gemacht, dass es „ohne Ungehorsam keine Unabhängigkeit“ geben wird und die Errichtung der CDRs kühn vorangetrieben.

Jedoch haben die GenossInnen in den wichtigsten Momenten und in der Woche des 27. Oktobers sowie nach der Ausrufung der Republik keine deutliche alternative Orientierung zur Politik der katalanischen Regierung angeboten. Es schien, als ob die CUP-Führung sich darauf konzentriert hatte, Druck auf die Regierungsspitze zu üben, anstatt sich die Führung in der Bewegung zu erkämpfen oder die katalanische Regierung von unten zu überholen. Die Organisation ist momentan nur schwach in der ArbeiterInnenklasse und den Gewerkschaften verwurzelt und innerhalb der CUP gibt es eine Strömung, Poble Lliure, die gegenüber der Bewegung eine Zwei-Etappen-Politik formuliert: zuerst ein Bündnis mit Teilen der nationalen Bourgeoisie, um die Unabhängigkeit zu erreichen und anschließend ein Bruch mit dieser, um für den Sozialismus zu kämpfen.

Es ist deshalb notwendig, eine Debatte innerhalb der katalanischen revolutionären Linken über Strategie und Taktik zu eröffnen.

Um die ArbeiterInnenklasse in Katalonien erfolgreich mit der Perspektive für eine Republik zu gewinnen, gibt es nur die Möglichkeit, dem Kampf einen sozialistischen Charakter zu geben. Das beinhaltet erstens die Verteidigung der Verstaatlichung von Großunternehmen und Banken unter demokratischer ArbeiterInnenkontrolle und zweitens die Verknüpfung des Kampfes für eine sozialistische Republik Kataloniens mit einer Ausdehnung des revolutionären Prozesses auf den Rest des Landes.

Außerdem muss der pro-spanischen und monarchistischen Reaktion der entscheidende Schlag versetzt werden; das wird den katalanischen ArbeiterInnen, die sich selbst als links betrachten, aber nicht ihre affektiven und familiären Bindungen zum restlichen Spanien verlieren wollen, helfen ihre Bedenken zu überbrücken. Diese Strategie wird jene Teile der ArbeiterInnen ermutigen, sich dem gemeinsamen Kampf mit dem Rest der ArbeiterInnenklasse und den Menschen in Katalonien anzuschließen.

Die Erfahrungen werden den Weg frei machen. Innerhalb der revolutionären und transformativen Linken gibt es eine wachsende Übereinstimmung zwischen der CUP (besonders der Endavant-Strömung), der Alberte-Dante-Fraktion bei Podem und anderen Gruppierungen der katalanischen Linken, besonders Procés Constuent. Diese Übereinstimmung könnte eine klares linkes, sozialistisches und revolutionäres Identifizierungssignal bieten. Mit der Unterstützung durch die CDRs und bei zunehmendem Einfluss in der ArbeiterInnenklasse – angefangen bei der Jugend – müsste sich die Aufgabe gesetzt werden, die Führung der Bewegung mit ihrem kleinbürgerlichen Flügel herauszufordern und vielleicht sogar einen Teil der ERC, der sich weiter nach links bewegt, für sich zu gewinnen.

Der erste Test dafür werden die Wahlen am 21. Dezember sein. Es ist klar, dass die katalanische Bevölkerung in großer Zahl an diesen Wahlen teilnimmt, um dem spanischen Regime einen Schlag zu versetzen. Die militante katalanische Linke sollte sich nicht an einer konzeptionslosen Front unter Mitwirkung der PDeCAT beteiligen, sondern offen das Gesicht und ihr Programm zeigen und eine eigene Liste präsentieren, welche einen enormen Einfluss haben würde.

Das muss ergänzt werden durch einen deutlichen und anhaltenden Appell an die spanische ArbeiterInnenklasse und deren Organisationen. Auch muss der Kampf gegen die repressive und autoritäre Politik der Zentralregierung in den nächsten Monaten fortgesetzt werden. Dann wären die Bedingungen für einen bedeutenden Fortschritt der revolutionären und sozialistischen Linken in der Unabhängigkeitsbewegung geschaffen. Diese Bedingungen müssen aber auf die ArbeiterInnenklasse in Katalonien und ganz Spanien orientieren und dürfen kein nationalistisches, sondern ein internationalistisches und soziales Konzept beinhalten.

Das wird der Schlüssel für eine erfolgreiche katalanische Revolution sein: der Kampf für die sozialistische Republik Katalonien, der auch als Funke für die Revolution auf der Iberischen Halbinsel dient und ein Auftakt für eine europäische sozialistische Revolution sein könnte.

Die Aufgabe der spanischen Linken

Die spanische Linke und deren revolutionärer Flügel sollten sich nicht durch die entfesselte spanische Reaktion einschüchtern lassen. Trotz allem hat diese ein oberflächliches Erscheinungsbild und je arroganter und franquistischer sie ist, desto schneller wird sie eine Massenbewegung gegen sich auslösen.

Wir haben bereits in mehreren Artikeln unsere Haltung zu Unidos Podemos und deren Führung in Bezug auf Katalonien erklärt. Wir fordern unsere GenossInnen von Unidos Podemos und der mit ihr verbündeten Organisationen sowie die spanische Linke im Allgemeinen auf, die demokratischen Rechte des katalanischen Volkes zur Bildung eines unabhängigen Staates unermüdlich zu verteidigen, gegen alle repressiven Maßnahmen gegen Katalonien zu kämpfen und dabei die eigenen Kräfte zu mobilisieren, um solche Repressionen zu verurteilen und, falls möglich, zu verhindern.

Gleichzeitig muss ein sozialistisches, republikanisches und revolutionäres Programm erstellt werden. Der Schwerpunkt darin muss darin liegen, das verkommene System von 1978, dessen Korruption, Ungerechtigkeiten sowie die autoritäre und franquistische Tendenz des Staatsapparates und der Monarchie mit dem kapitalistischen System zu verknüpfen. Dieses System schützt die 200 Familien der Oligarchie, welche die 100 größten Unternehmen des Landes und 80% des Vermögens kontrolliert und deswegen gestürzt werden muss.